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Ukraine vor dem Scheidweg: Darum geht es beim Selenskyj-Trump-Treffen

US-Präsident Donald Trump bei seinem letzten Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj im August im Weissen Haus.
US-Präsident Donald Trump bei seinem letzten Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj im August im Weissen Haus. bild: Presidential Press Service

Warum das Treffen von Trump und Selenskyj zum Scheidepunkt wird

Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj treffen sich an diesem Freitag in Washington – und womöglich entscheidet sich dort die künftige Haltung der USA im Ukraine-Krieg, meint Osteuropa-Experte Marcel Hirsiger.
17.10.2025, 09:5417.10.2025, 11:28
Marcel Hirsiger / ch media

Nein, die amerikanischen Tomahawk-Raketen sind keine Wunderwaffe im russischen Krieg gegen die Ukraine. Dafür sind sie in ihren Möglichkeiten zu eingeschränkt, in ihrer Stückzahl zu gering.

Und dennoch: Wenn sich Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj am Freitag in Washington treffen, wird es aus mehreren Gründen von grosser Bedeutung sein, ob sie am Ende die Lieferung dieser Marschflugkörper an die Ukraine verkünden werden.

Marcel Hirsiger ist Dozent und Osteuropaexperte an der Fachhochschule Nordwestschweiz.
Marcel Hirsiger ist Dozent und Osteuropaexperte an der Fachhochschule Nordwestschweiz. bild: zvg

Denn natürlich haben die Tomahawks eine militärische Wirkung: Sie erreichen fast 2000 militärische Ziele weit im russischen Hinterland, darunter auch Luftwaffenstützpunkte und Fabriken für Kampfdrohnen.

Die Raketen dienen zudem der Abschreckung. So sind Angriffe etwa auf Moskau zwar nicht vorgesehen, können aber nie grundsätzlich ausgeschlossen werden. Dies sorgt für ein besseres Gleichgewicht und setzt das russische Regime stärker unter Druck.

Viel wichtiger ist jedoch die politische Dimension der möglichen Tomahawk-Lieferungen. Ringen sich die USA unter Trump dazu durch, ist es ein deutliches Signal gegenüber dem russischen Machthaber Wladimir Putin. Und dies in einer Zeit, in welcher der amerikanische Präsident wiederholt seine Position geändert hat.

Wunderwaffe oder nicht? Selenskyj will unbedingt den Tomahawk.
Wunderwaffe oder nicht? Selenskyj will unbedingt den Tomahawk. bild: imago

Es ist auch ein Zeichen an die europäischen Partner, ihre früheren Versprechen umzusetzen – zuvorderst Bundeskanzler Merz, der noch im Wahlkampf eine unverzügliche Taurus-Lieferung in Aussicht gestellt hatte.

Trump fühlt sich von Putin verraten

Das Treffen zwischen Trump und Selenskyj geht aber weit über Waffenlieferungen hinaus.

Der US-Präsident hat inzwischen verstanden, dass er den Ukraine-Krieg nicht in 24 Stunden beenden kann, wie er dies noch grossspurig im Wahlkampf erklärt hatte.

Und obwohl seine Position seit Amtsantritt schwankt zwischen Unterstützung für die Ukraine, Einknicken gegenüber Russland und einem kompletten Rückzug aus der Affäre, hat er in den letzten Wochen mehrfach zu verstehen gegeben, dass er sich von seinem früheren Freund Putin verraten fühlt.

Der Kremlherrscher hat denn auch tatsächlich seit Spätsommer die Angriffe auf die Ukraine massiv verstärkt. Erneut bringen jede Woche Hunderte Drohnen Zerstörung, insbesondere auch der zivilen Infrastruktur.

Und Russland hat offen damit begonnen, die Reaktionsfähigkeit der Nato und der europäischen Sicherheitspartner zu testen. Zahlreiche Hinweise lassen befürchten, dass Putin nicht mehr nur die Ukraine im Fokus hat, sondern offenkundig mit einem Angriff auf die Nato spielt – und dies wohl deutlich früher als 2029.

Putins Angriffe werden grausamer

Darüber hinaus hat Putin gezeigt, dass der Preis für seinen imperialistischen Feldzug nicht hoch genug sein kann: Die Wirtschaft leidet zunehmend unter den Sanktionen, die Fortschritte auf dem Schlachtfeld sind in jüngster Vergangenheit ausgeblieben, die Verluste dafür umso grösser.

Und dennoch ist der russische Machthaber von einem Einlenken weit entfernt. Von einer vermeintlichen historischen Mission beseelt, wird Putin in seinen Angriffen auf die Ukraine immer grausamer.

Das ukrainisch-amerikanische Treffen am Freitag wird also tatsächlich zu einem Scheidepunkt. Äussert Trump deutliche Unterstützung für die Ukraine und lässt den Ankündigungen rasch Taten folgen, so stärkt dies nicht nur das überfallene Land, sondern ganz Europa, welches sich auch in der Nato weiterhin auf die USA verlässt.

Zu diesem Bekenntnis Amerikas gehört wiederum die abschreckende Wirkung: Russland muss verstehen, dass seine Aktionen nicht ohne Folgen bleiben werden und weitere Antworten jederzeit möglich sind. Bleibt diese Entschlossenheit aus, so öffnen sich die Türen für Moskau weiter für neuerliche Provokationen und unverhohlene Angriffe auf Europa.

Teil der aktuellen Entwicklung ist im Übrigen, dass Russland bereits seit Wochen in hysterischem Ton vor amerikanischen Tomahawk-Lieferungen warnt. Diese seien eine inakzeptable Eskalation und würden unmittelbare Vergeltung bedeuten. Die Warnungen sind allerdings ein inzwischen bekanntes Muster der Kreml-Propaganda: Sie zielen darauf ab, die Menschen in Europa zu verunsichern und damit eine Waffenlieferung gar nicht erst ernsthaft zur Debatte zu stellen.

Diesen Einschüchterungsversuchen muss nicht nur Trump entschieden dagegenhalten, sondern auch Europa, welches das aggressive Verhalten Moskaus nicht weiter tolerieren kann.

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quelle: epa/epa / nigel roddis
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66 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Typu
17.10.2025 10:03registriert Oktober 2015
Trump blufft ggü Russland und die wissen das natürlich. Schlussendlich hofft er auf ein Einlenken Putins was aber nicht passieren wird. Hintenrum quatschen die über diverse politische Kanäle. Das was wir sehen und hören ist die Show für den Pöbel.
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RicoH
17.10.2025 10:10registriert Mai 2019
Nun, auf Trump kann man sich nicht verlassen. Das ist keine Behauptung, sondern eine Feststellung. Aber alles scheint sich um Trump zu drehen...

Merz könnte ein klares Signal aus Europa senden, wenn er Taurus liefern würde. Warum immer auf den wankelmütigen Orang Utan warten?

Ich verstehs nicht..
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Digitalflaneur
17.10.2025 10:08registriert März 2024
Und danach trifft der Putin und findet moll moll der Putin ist ein guter, der macht das schon richtig und wir müssen da nicht so fest eingreifen. Agent Krasnov over and out.
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